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Mo, 23.8.04, 20:00 Uhr [Dokumentation/Installation]

Radioballett – Übung in nichtbestimmungsgemäßem Verweilen

Installation Radioballett Leipzig

Die Installation dokumentiert eine Aktion, die am 22.06.2003 im Leipziger Hauptbahnhof statt fand. Die Radiokunstgruppe Ligna hatte die HörerInnen des nichtkommerziellen Lokalsenders Radio Blau aus Leipzig aufgefordert, ausgestattet mit mobilen Radioempfängern und Kopfhörern am späten Sonntagnachmittag in den Hauptbahnhof zu kommen und an der "Übung in nichtbestimmungsgemäßem Verweilen" teilzunehmen. Für die Zeit von eineinhalb Stunden wurde über das Radio eine Choreographie ausgestrahlt, die aus verbotenen, verdrängten, zwielichtigen und auch ganz normalen Gesten bestand.

Die ungefähr 500 HörerInnen führten diese Gesten, verteilt über das weite Gelände des Bahnhofs und der angeschlossenen Shoppingmall, aus. Damit brachten sie in der Zerstreuung massenhaft an einen öffentlichen, zunehmend privatisierten Ort zurück, was die permanente Kontrolle aus ihm verdrängt hat. Wie bei der ersten Aufführung des Radioballetts im Mai 2002 in Hamburg hatte die Deutsche Bahn als Betreibergesellschaft des Bahnhofs versucht, die Aktion zu verbieten. Es zeigte sich jedoch, dass ein Verbot gegen die zerstreute Assoziation der HörerInnen nicht durchzusetzen war.

Die Installation besteht aus einem von Arthur Zalewski und Clemens von Wedemeyer hergestellten Film über das Radioballett von ungefähr 15 Minuten Dauer, der als Endlosschleife auf einem Monitor zu sehen ist. Die Tonspuren dieses Films sind separiert: der rechte Kanal, der über die Lautsprecher des Monitors ausgestrahlt wird, besteht lediglich aus den Umgebungsgeräuschen des Bahnhofs, wie sie während des Radioballetts zu hören waren. Auf dem linken Kanal hingegen ist die Choreographie des Radioballetts zu hören - also der Ton, den auch die TeilnehmerInnen während der Aktion hören konnten. Dieser Kanal wird über einen Minisender ausgestrahlt und ist über kleine transportable Radiogeräte mit Kopfhörern im Ausstellungsraum zu empfangen.

Zunächst bietet die Installation den AusstellungsbesucherInnen also ein Bild, das der Situation unbeteiligter Passanten am Bahnhof ähnlich ist: Sie sehen auf dem Bildschirm eine Art Performance, ohne erklärt zu bekommen, wie diese funktioniert und gesteuert wird. Erst wenn sie eines der Radiogeräte zur Hand nehmen, erschließt sich ihnen, dass der Aktion eine Radiosendung zugrunde liegt. Wer sich die Sendung einen Durchlauf lang anhört, bekommt auch die wichtigsten Thesen über die Form des Radioballett und die Kontrolle des öffentlichen Raumes mit. Diese Thesen waren Teil der Originalsendung und unterbrechen die Choreographie in regelmäßigen Abständen.

Ein weiterer Teil der Installation sind 8 Fotografien der Aktion von Eiko Grimberg. Ergänzt wird die Dokumentaion in Ton und Bild von einem Reader. Dieser versammelt Informationsmaterial: Mobilisierungsflugblätter und eine Dokumentaion über die gerichtliche Auseinandersetzung mit der Bahn, die dem Radioballett in Hamburg voranging.

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