puzzelink_evidenz.25 [Tuch – Wandlung – Geld]

Programm 2022

Nachfolgend findet sich der Beschreibungstext und die Veranstaltungen von 2022. Meistens gibt es Fotos der Veranstaltung auf den jeweiligen Detailseiten.

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Plädoyer für einen neuen Gesellschaftsvertrag

Insgesamt – sowohl kulturell, als auch ökonomisch – wird eine soziale Postwachstumsperspektive nötig sein, um die Arbeit- und Produktionskapazitäten zu drosseln. Nicht nur Reichtümer und Löhne sollen besser auf die einzelnen Bürger verteilt werden. Die aufsteigende Spirale der Mehrarbeitsbereitschaft muss endlich unterbrochen werden.

Unsere Handlungen und Verhaltensweisen müssen zugleich als Modelle ihrer selbst verstanden werden: Im Sinne von Experimenten. Das betrifft sowohl die immateriellen und organisatorischen Aspekte kultureller Arbeit, als auch die Beziehungen, in die wir uns zu Anderen begeben. Sowie ihren Gehalt und ihre immanenten Verhaltensweisen.

Wir sollten endlich zu zögern beginnen, um eine progressive Desillusionierung zu erreichen, die allerdings gerade nicht durch die Pandemie, also erzwungenermaßen, sondern selbstgewählt erfolgt. Das betrifft die ganze Haltung zum Betrieb, zum Berufsethos, sowie den Habitus von Künstler_innen und Intellektuellen. Ebenso betrifft es die gerechte Aufteilung sowohl attraktiver, als auch unattraktiver Arbeitsangelegenheiten. Im Kulturbereich genauso wie in der Wirtschaft und in staatlichen Behörden.

Durch die Auflösung (Abrüstung) sozialdarwinistischer Rangordnungen und Gesellschaftsvorstellungen kann in einer emanzipierten Gesellschaft eine neue Aufteilung sozialer Arbeit hergestellt werden. Ein solcher Abrüstungsvertrag macht die Verteilung der jeweiligen Arbeiten und Belohnungen zu einer politischen Angelegenheit.

Die Übernahme gewöhnlicher Haushalts-, Reproduktions- und Dienstleistungsaufgaben wird verallgemeinert und entstigmatisiert.
Ebenso wie auf der anderen Seite die sogenannten gehobenen Fähigkeiten und Verantwortungen aufhören, exklusiver Besitz einiger Weniger zu sein.

Der „New Deal“ könnte folgendermaßen vonstatten gehen: Der Abrüstungsvertrag stoppt die Überproduktion im Kulturleben, indem er einerseits eine generelle Stilllegungsprämie ausschreibt – einen solidarischen Fonds für die Arbeit an Sorge und Pflege kultureller Arbeitswelten. Und anderseits, indem er alle Modalitäten von Ausschreibungen, Stellenprofilen, Arbeitszeiten- und Leistungserwartungen von Gagen, Honoraren, Preisen und Stipendien neu überarbeitet und auf die neue Form (Norm) des Doppellebens, der Nichtidentität und Vielfalt der Existenzen zuschneidet.

Der Abrüstungsvertrag zielt auf die Verringerung objektiver und subjektiver Zwänge ab. Er entfaltet sowohl eine politische Verbindlichkeit, die auf neue Regeln, Standards und Institutionen, als auch eine ethische Verbindlichkeit, die auf andere Gewohnheiten, Sprachregelungen und Bewertungsstandards abzielt.

Politisch verbessert er die Arbeitsverhältnisse und verbreitet den Zugang zu einem Leben in Kunst und Wissenschaft. Er ermöglicht es, von der entfremdeten Überproduktion und entfesselten Projektemacherei zu einer freien Haltung in der eigenen Arbeit überzugehen. D.h. ein Narrativ des Normalen, des Gewöhnlichen des Alltags überhaupt erst einmal zu Erfinden. Eine Geschichte, die dem gerecht wird, was schon längst von so Vielen versucht wird und bisher nie ausreichend anschaulich gemacht, in Sprache gefasst und gewürdigt wurde.

Das wahre Leben hat schon immer längst begonnen. Eine besondere Schwierigkeit dabei sind allerdings die ethischen Widerstände aus den eigenen Reihen: Das Ressentiment gegen die unzähligen Versuche zu einem besseren Leben kommt ja nicht nur vom bürgerlichen Mainstream und den üblichen konservativen Intellektuellenfeinden. Es kommt auch von den fugenlos gegen alle Erfahrung und Fantasie abgedichteten, nominell progressiven Kolleginnen und Kollegen, die sich ein anderes Leben, als das bestehende kaum noch vorstellen können (und wenn doch, dann nur für die Anderen, nicht für sich selbst).

Unsere Aufgabe ist die beharrliche Arbeit an der Möglichkeit, der Vorstellbarkeit und Wünschbarkeit einer solchen anderen Lebensweise.

Zitiert nach: Lauren Berlant, Max Haiven, Michael Hirsch, John Holloway, François Jullien, Jacques Rancière, Berthold Seliger, Virginia Woolf.


Veranstaltungen 2022

Mo, 1.8.22, 18:00 Uhr [Ausstellung]
Britta Lembke
"Riss im Himmel quer“ – Begrenzung und Lücke
Mi, 3.8.22, 19:00 Uhr [Ausstellung und Gig]
Peter Boué, Doctor Love Power
Modelle unserer selbst
Fr, 5.8.22, 19:00 Uhr [Ausstellung / Audio- und Videoinstallation]
Frauke Hänke, Claus Kienle, Ralph Musielski
blau machen.
So, 7.8.22, 19:00 Uhr [Live-Improvisation + Projektion]
Sylvia Necker
Tuchfühlung. Von der Stofflichkeit des Wandels
Di, 9.8.22, 16:00 Uhr [Ausstellung und Aktion]
Doris Cordes-Vollert, Anna Cordes
raus aus Ecken und Nischen
Do, 11.8.22, 18:00 Uhr [Ausstellung]
Jürgen Brockmann
Invasion
Sa, 13.8.22, 20:00 Uhr [Fotografie und Lesung]
Till Bartels
Carpet & Cruises, Covid & Crews
Mo, 15.8.22, 19:00 Uhr [Konzert im besten Sinne]
Johannes Pfingsten, Pinguin Moschner, Mathieu Bech
Permut
Mi, 17.8.22, 19:00 Uhr [Film und Fotografie]
Gabriele Schwark
Binsenweisheiten
Fr, 19.8.22, 17:00 Uhr [Ausstellung]
Christopher Geiger zeigt:
25 Bilder von Ralph Jurszo
So, 21.8.22, 20:30 Uhr [Konzert]
Ensemble EMN
game pieces, graphic notation and video scores
Di, 23.8.22, 19:00 Uhr [Ausstellung: Raum- und Schaufensterinstallation]
Heilwig Jacob, Ina Schlafke
Im Gewebe von Zeit
Do, 25.8.22, 19:00 Uhr [Performance der Besucher]
Michael Kellner
Such-Ahnung-Held
Sa, 27.8.22, 20:00 Uhr [Konzert]
Anne Wiemann, Hermann Süß, Björn Lücker, Guy Saldanha
Don't Tell It
Mo, 29.8.22, 18:00 Uhr [Ausstellung]
Nissa Groening, Oliver Tan
Irrland, aber Sonne den ganzen Tag.
Mi, 31.8.22, 20:11 Uhr [Solo. Musik mit Worten]
Anne Wiemann
Stauwasser

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